Unterschätztes Risiko: Beweislagen durch interne Kommunikation

Was aus den Risiken des US Pre-Trial-Discovery zu lernen ist.

Die Scheu vieler vor dem US-amerikanischen Rechtssystem kommt nicht vom „materiellen“, sondern dem Verfahrensrecht her. Dabei geht im US-Gerichtsverfahren der mündlichen Verhandlung eine Vorphase voraus, in der die Parteien dem Gericht die Tatsachen und Beweise präsentieren, wobei sie auch verlangen können, dass die Gegenseite Beweise vorlegen soll, z.B. und insbesondere den E-Mail-Verkehr intern zwischen Geschäftsführung und technischer Abteilung (sog. „Pre-Trial-Discovery“).

Wer dem nicht Folge leistet muss damit rechnen, dass im Prozess bestimmte Dinge einfach gemäß den Behauptungen der anderen Partei zu seinen Ungunsten unterstellt werden. Wer aber vorlegt riskiert, dass das Gericht – und noch schlimmer: die Geschworenen – den internen Schriftverkehr sichten und würdigen, was kein Hinweis sein soll auf die Vor- oder Nachteile von US-Jury-Prozessen.

Wenn man sich ganz praktisch und real den heutzutage üblichen E-Mail-Verkehr zwischen den Abteilungen eines größeren Unternehmens kritisch näher ansieht – sowie auch zwischen den technischen Spezialisten verschiedener Unternehmen, z.B. Auftraggeber und Auftragnehmer während der Vertragsabwicklung -, dann wird das immense Risiko deutlich, das darin nicht selten verborgen liegt: "sorry, we couldn\'t yet find out" , „sorry we are late in“, „don’t worry, no problem, we will provide external support“, etc. pp.

Ja, wie soll das denn auf ein Entscheidungsgremium wirken, das 9 Monate oder noch später ex post über Schadensersatz zu befinden hat, weil eine beauftragte Leistung nicht oder nicht richtig oder rechtzeitig ausgeführt wurde? Was sagt denn z.B. wohl der Durchschnittsamerikaner im Prozess eines patriotischen US-Unternehmens gegen ein böses, leistungsuntreues Europäisches dazu, dass schon die eigenen Leute dieses ausländischen Gegners selbst zugeben, dass sie es nicht ordentlich gebracht haben?

Ganz zu schweigen von kommerzieller interner Kommunikation der Art „mangels Vorfinanzierung konnten wir die Zulieferung nicht bis zum ... sicherstellen, aber wir bekommen das hin“. Klar ist schneller mal was in die Mail gehauen als früher in einen Brief geschrieben, aber damit werden eben auch dauerhaft belastende Beweisdokumente generiert.

Es ist sicher nicht verkehrt, hieraus den Schluss zu ziehen, dass sowohl für die rein interne, als auch um so mehr für die Kommunikation zwischen den Fachspezialisten zweier Parteien, präventiv generelle Vorgaben gemacht werden sollten, dass belastender – und in der Hektik der E-Mail-Zeit ja oft sogar absolut überflüssig sorgenvoller - E-Mail-Austausch zu unterbleiben hat. Kritische Situationen sollten prinzipiell vorrangig in internen Projektbesprechungen behandelt werden und kritische schriftliche Aussagen sollten nur über den Tisch der Geschäftsführung nach außen gehen.

Dr. Axel Schober

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