COVID-19 und Vertragspflichten

Was macht COVID-19 eigentlich mit Ihren Verträgen? Das hängt zunächst vom anwendbaren Recht ab, wobei wir einen Blick auf das kontinentale Recht (z.B. Deutschland), das Common Law (z.B. UK, USA, oftmals im Mittleren Osten sowie in Asien, Teilen Afrikas und Indien), das UN-Kaufrecht (CISG) und auch einen nach China werfen wollen.

„Pacta sunt servanda“ (Verträge hat man zu bedienen). Das deutsche Recht kennt allerdings etliche Bestimmungen (z.B. §§ 275, 276, 313, 314, 280, 323 BGB oder Art. 240 § 2 I 1 EGBGB), die sich damit beschäftigen, was passiert, wenn eine Partei ihren durch Vertrag begründeten Pflichten nicht oder nur unter ganz erheblichen Erschwerungen nachkommen kann. Kannte ein Kaufmann etwa die betreffende Situation schon beim Vertragsschluss oder hätte er beizeiten Vorsorge treffen, Lager anlegen oder alternative Bezugsquellen schaffen können, so wird er nicht so ohne weiteres von einer vertraglichen Verpflichtung befreit oder darf nicht anders, später oder zu anderen Konditionen liefern oder leisten. Wenn man ihm insofern aber nichts vorwerfen kann und ihm das eingetretene Risiko auch nicht einseitig zuweisbar ist („deine Sache“), so kann er sich auf „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ (Folge insb. Anpassung der vertraglichen Verpflichtungen und wenn nicht möglich Freiwerden) oder eine ihm subjektiv nicht vorzuwerfende „Unmöglichkeit“ (Folge insb. Freiwerden) berufen und muss mangels Verschuldens („ob man etwas dafürkann“) auch keinen Schadensersatz leisten. Regel ist aber ganz klar die Vertragstreue. Aktuelle Urteile zu entsprechenden Fragen changieren (z.B. aktuell auch: hälftige Gewerberaummiete? Ok u.a. laut OLG Dresden, nein laut OLG Karlsruhe, beide vom 24.2.2021).

„Pacta sunt servanda“. Im Common Law etwa geht man davon aus, dass wer etwas verspricht es auch halten muss („ich werde liefern“). Wenn nicht, folgt Schadensersatz („Damages“). Es gilt, was in den vier Ecken des Vertrages steht („4 Corners Rule“). Dort ist es deshalb extrem wichtig, gute Vertragsbestimmungen ausgehandelt zu haben. Regelmäßig wird man also nicht von der Verpflichtung loskommen, den Erfolg versprochen zu haben, es sei denn, man hat es ausdrücklich und konkret genug anders vereinbart. Das macht man regelmäßig in sog. „Force Majeure“ oder „Hardship“ – Klauseln, wobei erstere mehr in Richtung Freiwerden und letztere in Richtung Vertragsanpassung gehen. Solche Klauseln finden sich in vielen Verträgen, aber man muss prüfen, was man da eigentlich im Detail vereinbart hat und wenn möglich nachverhandeln.

Welches Recht anwendbar ist, ist bei internationalen Verträgen meist ausdrücklich vereinbart. Sonst gilt regelmäßig das Recht der „spezifischen Leistung“ und der „Erfüllungsort“ spielt ebenfalls eine wichtige Rolle (also z.B. liefere ich von Deutschland aus mit FCA Incoterms 2020, ist eine Projektbaustelle in Dubai oder ist jemand in Frankreich Handelsvertreter).

Im internationalen Kaufrecht (CISG; UN-Kaufrecht) gilt an sich die Strenge des Common Law, jedoch bestimmt Art. 79 CISG so etwas Ähnliches wie eine FM-Klausel. Auch international oft vereinbarte Regelungssets, wie z.B. FIDIC, können dazu Bestimmungen beinhalten.

In China wurde bei SARS schon oftmals höhere Gewalt angenommen. Und aktuell soll die chinesische Regierung schon mehrere tausend offizielle Atteste ausgestellt haben, dass für die chinesischen Unternehmen infolge Covid-19 ein Fall von höherer Gewalt vorliegt.

Insgesamt kann also aktuell niemand abstrakt sagen, wie ein konkreter Fall entschieden werden würde. Jeder Fall ist zu prüfen. Eins aber ist sicher: Man sollte in jedem Fall zweigleisig fahren: Sowohl fair mit seinem Vertragspartner verhandeln, als aber auch seine rechtliche Situation zuvor sorgfältig prüfen und fundiert kommunizieren.

Der Autor, Dr. Axel Schober, ist seit über 30 Jahren als Rechtsanwalt im internationalen Recht aktiv sowie auch als Schiedsrichter. Er ist Mitglied bei DIS und ICC.

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