Closer Focus on the new German Antidiscrimination Act

Ein genauerer Blick auf das neue Antidiskiminierungsgesetz bzw. AGG offenbart viele Ungewissheiten, ausser der, dass es missbraucht werden wird.

Im Managermagazin vom Oktober 2006 findet sich auf der Seite 210 f. ein meines Erachtens vorbildlicher und absolut zutreffender Artikel über das so genannte „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG“, und zwar unter der zutreffenden Überschrift „Absurditätenkabinett“

Dieses Gesetz wird im negativsten Fall dazu führen, dass eine Vielzahl von Anwälten dazu tendieren wird, Schadenersatz- und „Schmerzens-geld“ansprüche geltend zu machen, und zwar im Wege des Schrotfeuers. Mit anderen Worten ist damit zu rechnen, dass insbesondere sowohl im Bereich des Arbeits- als auch des Mietrechts in absehbarer Zeit massenweise Schadenersatzforderungen eingehen, die dann auch eingeklagt werden. Letzteres bezweifelt zwar die „Jura-Professorin“ Sibylle Raasch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24.09.2006, Seite 51, welche meint, dass den Gerichten Querulanten schon bald bekannt sein werden und das AGG deshalb keine dauerhafte Einnahmequelle darstellen würde. Sie macht sich deshalb auch vielmehr Sorgen darüber, dass in Zukunft Männer querulatorisch gegen Frauenbevorzugung klagen könnten, welch eine Horrorvorstellung, meine Damen!

Schon diese Stellungnahmen machen deutlich, dass es hier um eine Gesetzesnovelle von größter, nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer Relevanz geht.

Das Grundanliegen ist berechtigt, denn niemand soll wegen der gesetzlich fixierten Diskriminierungsmerkmale, also wegen seines Geschlechts, einer Behinderung, des Alters, der Rasse und ethischen Herkunft/Ethnie, der Religion und sexueller Ausrichtung diskriminiert werden. Doch ist das Bessere hier der Feind des Guten.

Einen Zwang auf Abschluss von Verträgen begründet dieses Gesetz nicht, wohl aber einen Anspruch auf Schadenersatz (der nach deutschem Recht verschuldensabhängig sein soll, nach europäischem Recht aber nicht). Außerdem werden quasi ein Anspruch auf „Schmerzensgeld“ begründet sowie des Weiteren auch Unterlassungsansprüche.

Dabei werden sich möglicherweise als besonders problematisch so genannte Offensiv-Bewerbungen, insbesondere von Schwerbehinderten herausstellen, weil hier in jedem Fall die Schwerbehindertenvertretungen und die im Sozialgesetzbuch dafür genannten Stellen von der Bewerbung unterrichtet werden müssen.

Ein Problemschwerpunkt dürften sicherlich auch die so genannten „mittelbaren Benachteiligungen“ werden, die dann vorliegen, wenn eine an sich neutrale, auf den ersten Blick nicht diskriminierende Regelung, Maßnahme oder ein neutrales Kriterium vorliegt, die oder das jedoch bei phantasievollerem Hinsehen typischerweise Angehörige einer geschützten Gruppe benachteiligt oder auch nur theoretisch benachteiligen kann (!).

Wer angegriffen wird, tut stets gut daran zu prüfen, ob die Form- und Fristerfordernisse eingehalten sind, welche das Gesetz für solche Ansprüche vorsieht. Danach muss der Entschädigungsanspruch arbeitsrechtlich innerhalb einer Frist von 2 Monaten und erforderlichenfalls dann binnen weiterer 3 Monate gerichtlich geltend gemacht werden. Auch im sonstigen Rechtsverkehr gibt es Fristen und Formen, die eingehalten werden müssen.

Wegen der Details tut jeder Arbeitgeber oder Vermieter gut daran, möglichst präventiv anwaltliche Unterstützung und Beratung einzuholen.

Doch was kann der Berater augenblicklich tun?

Allenthalben werden, zum Beispiel bei Stellenanzeigen, zutreffend etwa folgende Ratschläge erteilt:

  1. Geschlechtsneutrale Bezeichnungen sind zu verwenden, und zwar durchgängig, nicht nur in der Überschrift, auch im sonstigen Text der Anzeige.
  2. Altersangaben sowie Attribute und Eigenschaften, die eher einer  Person einer bestimmten Altersgruppe zugeschrieben werden, sind zu vermieden.
  3. Risikobehaftet kann bereits die Forderung nach einem Bild des Bewerbers sein.
  4. Anforderungen an Berufserfahrungen müssen sachlich wohl begründet sein.
  5. Sachliche Anforderungen sollten im Übrigen rein tätigkeitsbezogen und neutral gefasst sein und so, dass die Notwendigkeit für die zu besetzende Stelle im Streitfall präzise dargelegt werden kann.

Wie aber, wenn man einen Schritt weitergeht und die Dinge näher betrachtet?

Eines der ersten Bücher auf dem Markt der Rechtsanwaltsliteratur ist das hervorragende Werk von Andrea Nicolai im DeutschenAnwaltVerlag „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG in der anwaltlichen Praxis“. Dies ist ein ebenso übersichtliches, wie präzises und vor allem ganz offenbar sehr sauber recherchiertes Buch, welches sich zum Gesetzgebungsverfahren ebenso äußert, wie zu dem europarechtlichen Implikationen dieser Materie.

Indes, was den mit der Rechtsanwendung professionell Befassten zweifeln lässt ist, dass bei realistischer Betrachtung so gut wie gar nichts sicher und alles zu bezweifeln ist. Dies mag am Beispiel der Höhe des Schmerzensgeldes belegt werden, wo es heißt: „Es sind derzeit keine Anhaltspunkte für die voraussichtliche Höhe solcher Entschädigungs-ansprüche vorhanden, da es sich um ganz neue Rechtsfragen handelt und – ähnlich wie beim Schmerzensgeld – ungefähre Beträge sich erst nach mehreren einschlägigen Gerichtsentscheidungen feststellen werden“ (ebenda, Rz 596). Oder im allgemeinen zivilrechtlichen Bereich, wo es heißt: „Die Anwendung und Umsetzung dieser Vorschriften wirft viele Fragen auf und es wird voraussichtlich einige Zeit dauern, bis die Grundzüge des zivilrechtlichen Antidiskriminierungsrechts geklärt sind., zumal sich die §§ 19 ff. durch eine Vielzahl unbestimmter und zum Teil neuer Rechtsbegriffe kennzeichnen, deren Auslegungssache der Zivil-Gerichte und des Europäischen Gerichtshofs sein wird“ (ebenda, Rz 711).

Mit anderen Worten:

Der beste Rat im Augenblick ist wohl, sich möglichst vorsichtig und sorgfältig zu verhalten und streng objektiv Arbeitsplätze und Mietobjekte zu vergeben und jeden Anschein irgendeiner unberechtigten Bevorzugung zu vermeiden.

Dies wird selbstverständlich engagierte Rechtsanwälte nicht davon abhalten, durch die Gestaltung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldklagen Honorareinnahmen zu genieren und auch den wohlwollendsten Arbeitgeber oder Vermieter damit hartnäckig zu quälen.

SCHÖNE NEUE GESETZESWELT!

Oder wie sagte es der Kollege im eingangs zitierten Managermagazin: „Absurditätenkabinett“. Selbstverständlich wird man den weiteren Fortgang der Rechtsentwicklung sehr genau beobachten.

Dr. Axel Schober

Rechtsanwalt

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