Aktuelle Baurechtsprechung 2005/6
Der nachfolgende Beitrag bildet den Hintergrund des gleichnamigen Vortrags des Autors auf der Fachmesse "Haus 2006" in Dresden.
Vorbemerkung – Zur Vorsicht!
Die nachfolgenden Berichte stellen jeweils nur eine kurze, knappe Zusammenfassung von ausführlichen Entscheidungen dar. Die Zusammenfassung wurde dabei aus subjektiven Gesichtspunkten zusammengestellt. Sie dient definitiv nicht dem Zweck im Einzelfall Rechtsratschläge zu erteilen, sondern stellt lediglich den Hintergrund dar für den Vortrag des Autors auf der Fachmesse
„Das Haus 2006“.
Dort wurden die Entscheidungen jeweils im tatsächlichen und rechtlichen Kontext erläutert. Bevor man also in einem konkreten Fall handelt, muss man sich immer über die Rechtslage konkret und vertieft informieren. Jeder Fall hat stets seine Besonderheiten, die man gewissenhaft analysieren muss. Durch die Angabe des Datums und des Aktenzeichens der Entscheidung ist es immerhin möglich, die jeweils zitierte Entscheidung zu finden und im Einzelnen genau nachzuvollziehen.
BGH - 06.10.2005 - VII ZR 229/03:
Eine nach der letzten mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug erstellte Schlussrechnung kann im Berufungsrechtszug nicht ohne Weiteres unberücksichtigt bleiben.
Ein bedeutsames „Schlachtfeld“ ist, insbesondere nach der ZPO-Reform, der Vortrag von neuen Tatsachen in der II. Instanz. So kann sich z.B. ein Problem ergeben, wenn die Schlussrechnung vom Gericht I. Instanz nicht für prüffähig erachtet wird. Dann kann diese in der II. Instanz neu gemacht und vorgelegt werden.
Dafür spricht nach dem BGH schon, dass ansonsten die neue Schlussrechnung Gegenstand eines neuen Rechtsstreits werden müsste, was unökonomisch wäre.
Ebenso kann neuer Tatsachenvortrag geleistet werden, der der Darlegung der Prüfbarkeit und Richtigkeit dieser Schlussrechnung dient.
BGH 22.09.2005 VII ZR 152/05
Frage: Was ist eine ausreichende Sicherheit im Sinne von § 648 a BGB? Nach § 648 a BGB kann der Unternehmer vom Besteller eine Sicherheitsleistung fordern. Was sind die Mindestanforderungen an eine solche?
Bei einer Garantie oder einem sonstigen Zahlungsversprechen, welches ein Dritter zur Sicherheit des Unternehmers abgibt, muss sich ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Unternehmers gegen das Kreditinstitut oder dem Kreditversicherer ergeben. Wenn ihm, wie im Fall des BGH, der Werklohnanspruch seines Auftraggebers gegen dessen Auftraggeber abgetreten wird, genügt dies dafür nicht. In diesem Fall nämlich kann der Bürge dem Nachunternehmer Einwendungen entgegensetzen, die schon der abgetretenen Werklohnforderung entgegenstehen und aus dem Verhältnis mit der „Zwischenpartei“ herrühren.
In diesem Urteil sagt der BGH auch, dass selbst dann, wenn der „Zwischenunternehmer“ / Auftraggeber des Klägers die Sicherheit nicht geleistet hat, dem Kläger immer noch ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht entgegengehalten werden kann. Darauf kann sich der Auftraggeber also immer noch berufen.
OLG Köln - 20.07.2005 - 11 U 96/04
Ein Werkmangel wird nicht allein durch die Abweichung von der Herstellerrichtlinie begründet, sondern ist nur dann anzunehmen, wenn – insbesondere als Folge unbestimmter Regeln der Technik – eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs besteht.
In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstritten ist die Frage, wann eine Abweichung von Herstellerrichtlinien einen Mangel begründet. In dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln wird deutlich ausgesprochen, dass eine Sachverständigenfeststellung nicht anzuzweifeln ist, wonach es auf den Stand der Technik und die Regeln des Faches ankommt und dies nicht einfach in Zahlen definiert werden kann. Die sachverständige Beurteilung (hier einer Parkettfläche) richte sich überwiegend nach den Kriterien der Stabilität, Fugenbildung und des optischen Gesamteindrucks. Insofern sei der Parkettboden – der untersucht wurde – mangelfrei, insbesondere sei er schon seit 4 Jahren mangelfrei nutzbar.
Sofern andere Oberlandesgerichte der Meinung waren, bereits das bloße Abweichen von den Herstellerrichtlinie begründe einen Mangel (mit Minderungsrecht etc.), muss dort berücksichtigt werden, dass dort zum Beispiel Ungewissheiten über Risiken des Gebrauchs bestanden, also weitere Umstände hinzutraten, die die Bejahung des Mangels rechtfertigen konnten.
Im zitierten Fall des Oberlandesgerichts Köln konnten auch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Herstellers keine anderen Schlüsse gezogen werden, schon weil dort nicht zwingend gefordert wurde, dass der Parkettboden auf irgendeine ganz bestimmte Weise verlegt werden musste; er durfte nur nicht unsachgemäß verlegt werden. Alles in allem war der Werklohn also geschuldet.
BGH - 22.09.2005 - VII ZR 63/04
Als Konsequenz einer „freien Kündigung“ hat der Auftraggeber dem Unternehmer den Werklohn zu bezahlen. Jedoch muss der Unternehmer sich gewisse Vorteile anrechnen lassen. Die vorliegende Entscheidung behandelt die Frage, welche Kosten wie anzurechnen sind
In dieser Entscheidung hat der Auftraggeber frei gekündigt. Das Recht dazu hat er jederzeit, der Unternehmer kann dann aber die vereinbarte Vergütung verlangen, allerdings unter Abzug der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen Erwerbs. In dieser Entscheidung hat der BGH nochmals klargestellt, dass der Auftragnehmer vorzutragen hat, welche Kosten er erspart hat und ggf. welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen zu lassen hat. Erspart sind solche Aufwendungen, die der Unternehmer bei der Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Dabei ist auf den konkreten Vertrag abzustellen. Dabei soll auf die tatsächlich ersparten Kosten abgestellt werden. Der Auftragnehmer muss deshalb die konkrete Entwicklung der Kosten vortragen, die bei Durchführung des Auftrages tatsächlich entstanden wären und die er erspart hat. Solange sich keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung ergeben, reicht es allerdings aus, wenn der Auftragnehmer die Ersparnis auf der Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation berechnet. Bedeutenden Stimmen im Schrifttum, wonach eine Abrechnung auch nach den heutigen tatsächlichen Kosten erfolgen darf, wenn diese für den Unternehmer günstiger sind, erteilt zumindest nach meiner Meinung diese Auffassung des BGH keine eindeutige Absage.
Kammergericht Urteil – Urteil vom 11.07.2005 – 8 U 8/05
Eine zusätzliche entgeltliche Beauftragung eines Subunternehmers durch den Bauherrn kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden, grundsätzlich nicht.
Dies gilt nach Auffassung des Kammergerichts Berlin auch dann, wenn der Hauptauftraggeber dem Subunternehmer unmittelbar Weisungen erteilt. Dies gilt nach dieser Entscheidung selbst dann, wenn der Arbeiter des Auftragnehmers dem Mitarbeiter des Oberauftraggebers darauf hingewiesen hat, dass für die Ausführung der unmittelbar angewiesenen Aufgabe zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, die im Leistungsverzeichnis gegenüber dem „Zwischenunternehmer“ nicht enthalten sind. Auch in einem solchen Fall – so das Kammergericht – wolle sich (angeblich) der Hauptauftraggeber nicht selbst vertraglich binden. Es sei erforderlich, dass der „Erklärende“ beim Erklärungsempfänger fahrlässig das Vertrauen auf einen bestimmen Erklärungsinhalt seines Verhaltens hervorgerufen habe. Dies sei bei einem Fall wie hier nicht so.
Zur Begründung seiner Auffassung zog das Kammergericht hier eine nachträgliche Besprechung heran, wo um die genaue Ausführung diskutiert wurde. Daraus erschlösse sich dann, dass der Unternehmer nicht auf eine Auftragserteilung durch den Hauptauftraggeber vertrauen dürfe.
BGH – 21.07.2005 – VII ZR 240/03
Die bloße Erkenntnis von Umständen vor Vertragsabschluss bedeutet noch kein arglistiges Verschweigen.
Die Beklagten hatten ein Grundstück verkauft mit einem noch nicht ganz fertiggestellten Supermarkt. Wegen erheblicher Rißbildung im Gebäude verlangten sie Zahlung von 400.000,00 DM. Nach dem Vertrag ist die Haftung für Sachmängel aber ausgeschlossen, sofern sie nicht im Übernahmeprotokoll festgestellt wurden. Vor Durchführung des Bauvorhabens gab es ein Bodengutachten, wo festgestellt wurde, dass Setzungsgefahr besteht. Diese sei bei der Variante der Baugestaltung, die schlussendlich gewählt wurde, nach dem Gutachter aber als eher gering einzuschätzen. Nachher hat sie sich doch massiv realisiert. Der Bundesgerichtshof ist der Meinung, dass man hier nicht vorschnell von Arglist ausgehen darf, sondern ganz genau vom Berufungsgericht noch geprüft werden muss, ob tatsächlich Arglist vorliegt. So ohne Weiteres sei das aber nicht zu bejahen.
Mit anderen Worten schadet nicht jedes Vorwissen, sondern nur solches, welches auch wirklich schlussendlich offenbart werden muss. Für die Vertragsgestaltung muss dies natürlich berücksichtigt werden.
BGH – 23.06.2005 – VII ZR 200/04
Die Klausel in einem Bauträgervertrag, der eine ALLGEMEINE GESCHÄFTSBEDINGUNG darstellt, „Grundlage der Bauausführung ist diese Baubeschreibung. Änderung der Bauausführung, der Material- bzw. Baustoffauswahl, sofern sie gleichwertig sind, bleiben vorbehalten“ ist unwirksam.
Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs beschäftigt sich mit § 10 Nr. 4 AGBG alter Fassung (heute § 308 Nr. 4 BGB); sie ist m.E. immer noch aktuell. Diese Vorschrift war anwendbar, weil es sich im Fall um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelte und die Klausel auch nicht generell der Inhaltskontrolle entzogen ist. Geregelt wird mit dieser Klausel die Befugnis, die Leistung zu modifizieren. Dies ist möglich, aber nur wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt, weil anderenfalls das Interesse des Erwerbers vorgeht, dass der Vertrag so eingehalten wird, wie er geschlossen wurde. Die Klausel, über die der BGH zu entscheiden hatte, enthielt das Erfordernis des „triftigen Grundes“ nicht. Im Hinblick auf die gebotene Klarheit und Verständlichkeit von AGB kann nicht darauf verzichtet werden, triftige Gründe für das einseitige Leistungsbestimmungsrecht ausdrücklich zu nennen und in ihren Voraussetzungen und Folgen erkennbar die Interessen des Vertragspartners angemessen zu berücksichtigen. D.h., nicht alles was irgendwo in Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht ist rechtsbeständig.
BGH – Urteil vom 14.04.2005 – VII ZR 56/04 - Eine Klausel, nach der ein Bareinbehalt von 5 % der Schlussrechnungssumme auf die Dauer der Gewährleistungsfrist einbehalten wird, der allein durch Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist unwirksam. Eine Umdeutung des Vertrages kommt nicht in Betracht.
Immer wieder beschäftigen sich die Obergerichte mit der Frage, welche Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern kann als Ablösevoraussetzung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht verlangt werden, also eine solche, wo jedenfalls erst einmal gezahlt werden muss und sich der Bürge allenfalls nachher das Geld wiederholen kann. In der vorliegenden Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass der Vertrag auch nicht einfach umgedeutet werden kann und dem Unternehmer nicht einfach eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft (wie sie möglich wäre) zugemutet bzw. aufgedrückt werden kann. Schon deshalb, weil es verschiedene Möglichkeiten zur Absicherung des Bestellers gäbe, könne man hier nicht automatisch umdeuten.
BGH – 31.03.2005 – VII ZR 369/02
Ein Leistungsverweigerungsrecht oder Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln von Bauleistungen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Aufklärung der Mängel schwierig und zeitraubend ist.
Die Klägerin verlangt Werklohn aus Bauverträgen wegen Abbruch, Maurer- und Betonarbeiten, die erbracht und abgenommen wurden und auch nicht weiter im Streit stehen. Allerdings sind die in einem anderen Vertrag zwischen den selben Parteien beim selben Objekt vorgesehenen Putz- und Fassadenarbeiten nicht vollständig ausgeführt wurden. Das Problem bestand nun darin, wie präzise und wie schnell der Auftraggeber die Mängel im Prozess darlegen muss. Das Berufungsgericht meinte, damit könne man nicht ewig warten, ansonsten würde man gegen Treu und Glauben verstoßen. Der BGH sah dies etwas anders und stellte klar, dass man mit dieser Begründung nicht ohne Weiteres das Zurückbehaltungsrecht absprechen könne. Allein der Zeitablauf reicht dafür nicht aus. Wie in jedem anderen Prozess auch müssten vielmehr die Mängel vorgetragen und nachgewiesen werden. Selbst wenn die Klärung schwierig und zeitraubend wäre, könne man die Rechte des Beklagten wegen Mängel nicht kurzerhand ausschließen.
Darin mag man einen Aufruf an die Instanzgerichte sehen, fleißig zu arbeiten und nicht mit juristischen, quasi formellen Argumenten Beweisaufnahmen, selbst wenn sie „schwierig und zeitraubend wären“, aus dem Weg zu gehen. Ein wenig erinnert dies an die Rechtsprechung zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung. Wer damit schon zu tun hatte weiss, was gemeint ist.
Von den vielen Büchern zum Baurecht sei dem, der sich eine systematische Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung zum Baurecht erarbeiten möchte, beispielhaft das jährlich frisch aufgelegte und aktualisierte Werk von Kapellmann / Langen, „Einführung in die VOB/B“, z.Zt. 14. Aufl., empfohlen.
Dr. Axel Schober